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Für klare Gedanken und bessere Tweets: Schreibe Haikus!

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Eine Kunst: Ein Haiku ist eine uralte Gedicht-Form aus Japan. Man sagt, dass die alten Meister mehrere Jahre an den rund 17 Silben eines solchen Haikus gearbeitet haben. Das klingt heutzutage schrägt – ist aber einer der Gründe, warum ich dir das Haiku-Schreiben ans Herz legen will.

Der Rauch verzieht sich Sterne leuchten wieder Feuerwerk  (Foto: Unsplash, Daniele Levis Pelusi)
Der Rauch verzieht sich
Die Sterne leuchten wieder
Feuerwerk
(Foto: Unsplash, Daniele Levis Pelusi)

Was ist ein Haiku?

Der „Haiku“ (jap. 俳句; Plural: Haiku, auch: Haikus) ist die vielleicht kürzeste Poesie-Form der Welt. Im 13. Jahrhundert in Japan entwickelt, haben Haikus auch in westlichen Ländern eine lange Tradition. Ihre wichtigsten Eigenschaften sind die knappe Form (meist drei Zeilen, zusammen etwa 17 Silben) und eine konkrete Gegenwärtigkeit verbunden mit einem Gedankenblitz.

Während traditionelle japanische Haiku-Dichter wie Matsuo Bashō (1644–1694) oder Masaoka Shiki (1867–1902) sehr lyrisch daher kommen ist die deutsche Szene lebendiger, pragmatischer und heute natürlich moderner. Einige der Autoren sind in der Deutschen Haiku-Gesellschaft organisiert.

Traditionelle Beispiele aus Japan:

Der alte Weiher:
Ein Frosch springt hinein.
Oh! Das Geräusch des Wassers.

          Matsu Bashō

Ein klassisches Beispiel aus Deutschland:

Der Bauer pflügt den Acker.
Wer
Wird die Ernte einbringen?

        Bertolt Brecht

Ja, richtig gelesen: Bertolt Brecht. Auch andere andere deutsche Autoren und Dichter (darunter Rilke) haben ihre Gedanken gelegentlich in kurzen japanischen Verse formuliert.

Die Magie der Haikus: Ob japanisch oder deutschsprachig, die Ästhetik dieser Lyrik liegt nicht nur in ihrer Kürze. Zwar ist das Reduzieren der Gedanken auf wenige Silben eine gute Übung für Wortwahl, Originalität und „Framing“. Eigenschaften, die übrigens auch auf Twitter, Facebook und in Headlines gefragt sind.

Ein zusätzlicher Zauber entfaltet sich jedoch über die traditionelle Konkretheit und die Fokussierung auf den Augenblick eines Haikus. Wer sich durch gelungene Beispiele liest, wird an Haikus hängen bleiben, die

  • dem Leser nur das Notwendigste sagen,
  • nicht kommentieren,
  • das Wesentliche im Kopf entstehen lassen und
  • sprachlich einfach formuliert sind.

Das Entwickeln von Metrik und Rhythmus steht im Hintergrund. Wer mit Haikus beginnt, sollte sich auf eine möglichst einfache und klare Sprache konzentrieren. Die „Eleganz“ entfaltet sich von selbst.

Her die Schnellstart-Anleitung für deinen ersten Haiku:

  1. Der Haiku hat 17 Silben,
  2. verteilt auf drei Zeilen (5-7-5).
  3. Der Inhalt bezieht sich auf die Gegenwart,
  4. enthält meist „Natur“-Wörter
  5. und deutet das Wesentliche nur an.

UND: Wir sind hier unter Erwachsenen – alle Regeln dürfen also auch mal gebrochen werden.

Darum lohnt es sich, Haikus zu schreiben

Bis auf die lyrische Form und die Naturverbundenheit enthält die Haiku-Poesie alles, was was man in reduzierten Textformen wie Twitter oder in Teasern brauchen kann: Mit nur wenigen Worten einen Geistesblitz auslösen.

Und genau darum geht es ja: Beobachte dich selbst, wenn du Postings auf Facebook oder eine Headline in der Süddeutschen liest. Du lächelst innerlich und fühlst dich dem Autor verbunden . Wie stark das ist, lässt sich sogar biologisch erklären: Immer wenn wir einen Zusammenhang verstehen, spendiert das Gehirn zur Belohnung das Hormon Dopamin. Das fühlt sich gut an – und ist vergleichbar mit der Wirkung einer Tasse Kaffe oder dem Nikotin einer Zigarette – ist aber viel gesünder 😉

Warum dann aber Haikus schreiben und nicht gleich mit Tweets üben? Weil du darin – ganz ohne Druck – deine Ideen ausprobieren kannst. Wenn du (völlig „sinnlos“) Gedanken und Wörter für ein Gedicht (!) durch den Kopf schiebst, Formulierungen prüfst und überlegst, was du weglassen kannst, dann denkst du frei – und nicht an deine Facebook-Freunde oder Follower. Die 17 Silben kannst du dabei im Kopf behalten – du hast dein Trainings-Tool also immer bei dir.

Wie man einen Haiku schreibt

Neben den formalen Aspekten (siehe oben) ist das Verfassen des Haikus also Übungssache. Hier einige Tipps, wie du das möglichst ruckelfrei bewältigst:

  1. Lass dich zu einem Thema inspirieren. Dafür brauchst du nicht viel Zeit – aber deine ganze Aufmerksamkeit. Unternehme einen Spaziergang oder schließe die Augen und schau, was auftaucht. Was interessiert dich? Hast du „überflüssige“ Gedanken übrig, die dich berühren? Genieße es, diesen zu folgen. Bedenke: Du brauchst für deinen Haiku keine großartige „Story“, sondern „nur“ einen Gedanken – es geht um die Übung, nicht um deine Follower. Vielleicht siehst du also auf dem Spaziergang eine überraschende Szene oder hinter deinen geschlossenen Augen taucht ein Gedanke auf, der mit „Was wäre wenn…“ beginnt. Behalte und pflege diese Idee. Töte sie nicht durch logisches Analysieren. Vielleicht entwickelt sich daraus ein anderer Gedanke. Mal sehen.
  2. Sammle Worte rund um das Thema. Hast du das Thema, vermeide, ganze (womöglich grammatikalisch korrekte) Sätzen zu bilden. Notiere passende Begriffe, Assoziationen, Adjektive, Gedanken und Halbsätze zum …

Ein Gedanke zu „Für klare Gedanken und bessere Tweets: Schreibe Haikus!“

  1. Ich habe folgenden Haiku geschrieben:
    Deutscher Bundestag
    Nutzniesser der Pandemie
    Nüßlein und Löbel

    Wie bewertest Du Ihn?
    Mit freundlichem Gruß
    Edgar

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