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Die Macht der Sprache: Mantras für den täglichen Gebrauch

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Ein Mantra (Sanskrit: मन्त्र, mantra m. ‚Spruch, Lied, Hymne‘) ist aus traditioneller Sicht ein heiliger Vers, in dem Segen und heilende Schwingung steckt. Allerdings funktionieren Mantras auch, wenn man sie nicht für heilig hält. Die Idee ist dann: Wo ein (guter) Gedanke ist, kann gleichzeitig kein anderer (schlechter) sein.

Es geht um die Wiederholung: Hier ein Stupa in Tibet. Er ist dafür da, ihn zu umrunden – und dabei Mantras zu sprechen. Funktioniert aber auch hierzulande. (Foto: Kerensa Pickett / Unsplash)

Mantra vs. Affirmationen

Zunächst sollten wir den Unterschied zwischen „Mantra“ und „Affirmation“ verstehen. Denn auch Affirmationen sind Wörter, Verse und Gedanken, die – möglichst häufig wiederholt – positive Effekte haben können. Allerdings werden sie als „positive Wertung“ verstanden. Sie sollen also durch ihren Wortsinn dem Leben eine positive Richtung geben. Man formuliert also morgens die Affirmation „Ich bin schön, wie ich bin“ und geht dann selbstbewusster durch den Tag. Das ist schon sehr nahe am Positiven Denken – wenn auch nicht ganz so plump.

Bei einem Mantra steht der inhaltlich positive Charakter nicht im Vordergrund. Hier ist es, nun ja, die Schwingung und der Gedanke an sich, der wirkt. Wer etwa die Silbe „Om“ spricht, klinkt sich damit sozusagen in eine spirituelle Schwingung ein. Übersetzt heißt die Silbe so viel wie „Anwesenheit der umfassenden Kraft“ – häufig steht sie deshalb am Anfang eines buddhistischen Mantras.

Der Unterschied ist also: Während Affirmationen sich vor allem an unseren Verstand wenden, wollen Mantras tiefer in unseren Gefühlen wirken.

Was bewirkt ein Mantra?

Nicht nur schön sondern nützlich: Steine mit „Om Mani Peme Hung“ an buddhistischen Pilgerwegen. (Foto: Pixabay)

Mantras helfen, sich bei einer Meditation zu fokussieren. Und sie beschäftigen den Geist mit einem guten Gedanken statt mit Grübeleien oder Zorn. Das ist der Hauptnutzen.

Wer schon einmal tibetische Mönche meditieren gehört hat, weiß, wie das klingt: Mit tiefer Stimme wird ein Mantra immer und immer wieder gesprochen oder gesungen. Manchmal werden die heiligen Silben aufgeschrieben und gegessen – aber das erscheint mir persönlich etwas extrem.

An heiligen buddhistischen Pilgerwegen stehen tausendfach Steine mit dem aufgemalten Mantra „Om Mani Peme Hung“, das dem Buddha Avalokiteshvara („Liebevolle Augen“) zugeordnet wird und für so etwas wie allumfassendes Mitgefühl steht. Auch hier geht um die nahezu unzähligen Wiederholungen des immer gleichen Verses.

Aus psychologischer Sicht haben Mantras drei nützliche Funktionen:

  • Wo ein guter Gedanke ist, kann kein zweiter (negativer) Gedanke sein. Und wer einige Minuten „Om Mani Peme Hung“ gemurmelt hat, wird in dieser Zeit nicht über sinnlose Dinge grübeln. Ein solcher Gedankenstopp wird auch in der Verhaltenstherapie angewendet.
  • Und dann die Neurotransmitter: Bei positiven Gedanken wird das Wohlfühlhormon Serotonin statt des Stresshormons Adrenalin produziert. Das wirkt sich auf den gesamten Körper aus. Wenn wir also bei dem Denken von „Om Mani Peme Hung“ Mitgefühl entwickeln, hat die Angst und Wut kurz für einen Moment Pause.
  • Schließlich der spirituelle Gedanke: Falls du ein bekanntes Mantra verwendest, fühlst du dich vielleicht mit denen, die es vor dir rezitiert haben, verbunden. Friedliche Menschen in der ganzen Welt sprechen immer wieder den identischen Vers. Das weckt das angenehme Gefühl der Verbundenheit und der Zusammengehörigkeit.

Du musst als nicht an Buddha, Vishnu oder Gott glauben, um mit Mantras zu arbeiten.

Wie du ein Mantra anwendest

Natürlich gibt es zahlreiche, teils exotische Wege, ein Mantra zu verwenden. Es kann gemurmelt, gesungen, gedacht und geschrieben werden. Auf vielen Statuen und Gebäuden stehen Mantras und in einer Buddhastatue stecken häufig tausende zusammengerollte Papierrollen voller Mantras.

Die üblichste Verwendung ist während einer Meditation. Hier eine Empfehlung für eine sehr kurze Meditation:

Nimm dir fünf Minuten Zeit und schließe die Augen. Murmle dann die drei Silben „Om Ah Hung“ vor dich hin. Das muss nicht laut und klar, sondern kann größtenteils in deinem eigenen Kopf sein. Falls du von Menschen umgeben bist, warte, bis du die Gelegenheit hast, das Mantra zumindest leise zu sprechen. Murmle fünf Minuten lang (gerne bei geschlossenen Augen) das Mantra „Om Ah Hung“. Höre dann auf und lausche ein paar Sekunden in die Stille.

Und? Wie fühlt es sich an? Hat sich etwas geändert? Empfindest du nun etwas anders als vorher?Was ist mit deiner Stimme? Vibriert etwas im Körper? Ist es nun leiser? Lauter?

Die Silbe „OM“ spricht unsere physische Form, den Körper an und reinigt ihn. Mit dem „AH“ reinigen wir unsere negativen Handlungen, die wir ausgesprochen haben und das „Hung“ reinigt die negativen Haltungen, die wir in Gedanken entwickelt haben.

Das Mantra ist also ein Reinigungsmantra. Es könnte also dazu geführt haben, dass dein Kopf nun ein wenig freier ist. Man sagt auch, dass es einen nach etwas Übung auf eine kreative Leistung vorbereiten kann. Aber, puh, wer weiß das schon. Fühle, wie es für dich ist – ob du überhaupt etwas wahrnimmst.

Und so klingt es, wenn Tina Turner das Mantra „Om Ah Hung“ singt.

Ach ja: Keine Sorge, Mantras sind KEINE Zaubersprüche! Genauso, wie du durch fünf Minuten „Om Ah Hung“ keine Erleuchtung erlangen wirst, kannst damit nichts zerstören. Nun, vielleicht hast du damit fünf Minuten „verschwendet“. Probiere aus, wie es sich für dich anfühlt.

Verwenden von Mantras

Wie gesagt: All das mit dem Segen und dem Inhalt („Reinigung“, „Mitgefühl“) muss man nicht glauben, damit Mantras funktionieren. Auch das Wort „Freundschaft“ könnte ein Mantra sein. Vermutlich würdest du, wenn du dieses Wort eine Weile vor dir hinmurmelst, eine gewisse Verbindung zu den anderen Menschen fühlen. Und zwar einfach nur deshalb, weil unser Gehirn so funktioniert.

Das weiß man übrigens auch in anderen Religionen. Im Talmud, einer der bedeutendsten Schriften des Judentums, wird die Macht der Worte so begründet:

Achte auf Deine Gedanken, denn sie werden Worte.
Achte auf Deine Worte, denn sie werden Handlungen.
Achte auf Deine Handlungen, denn sie werden Gewohnheiten.
Achte auf Deine Gewohnheiten, denn sie werden Dein Charakter.
Achte auf Deinen Charakter, denn er wird Dein Schicksal.

Du kennst diese Zeilen sicherlich von hübschen Plakaten auf Pinterest oder in Kruschtelläden. Aber, nun ja, der Inhalt fühlt sich richtig an. Stimmt’s?

Wie gehen wir nun also mit Mantras um? Du kannst dich zwischen zwei Möglichkeiten entscheiden:

Der klassische Umgang mit Mantras

Zwei Mani-Mühlen, mit denen das Mani-Mantra auch ohne Murmeln wiederholt wird. Aber das trifft nicht ganz den eigentlichen Sinn, finde ich. (Foto: Pixabay)

In diesem Fall wird es doch etwas spirituell. Wenn du dich gerne mit Traditionen beschäftigst und so etwas wie „Schwingungen“ dir nicht fremd sind, dann kannst du aus einer schier unübersichtlichen Zahl von traditionellen Mantras wählen. Ich nenne dir weiter unten einige buddhistische – da ich mich mit anderen Philosophien nicht so gut auskenne und keinen Unsinn schreiben will.

Übrigens gibt es auch sehr viele geheime Mantras, die ein Buddhist nicht an jeden weitergeben würde. Das hat mit elitärem Gehabe wenig zu tun. Ich denke dahinter steckt ein didaktischer Sinn: Lehrer wünschen ihren Schülern zunächst die Entwicklung von „einfachen“ Tugenden wie „Mitgefühl“ oder „Offenheit“ – damit sie an schwierigeren Themen nicht gleich scheitern und frustriert sind. Bevor du einen Roman schreibst, ist eine Kurzgeschichte vermutlich eine gute Vorbereitung. Deshalb muss man nicht gleich mit komplexen Schützer-Gesängen anfangen, sondern startet besser mit einem grundlegenden Mantra.

Zu einem klassischen Mantra gehört in aller Regel eine passende Meditation und entsprechende Visualisierungen, in denen ein Buddha, Farben und Symbole eine Rolle spielen. Um es komplett zu machen, würde man das Mantra mit einer Mala (eine Perlenkette mit meist 108 Perlen) zählen. Dann können sich Körper, Rede und Geist auf die zu lernende Qualität „einschwingen“.

Aber mache es dir nicht schwerer als nötig: Schnappe dir einfach ein Mantra aus der Liste unten und lass dich von ihm ein paar Tage lang begleiten. Lerne es auswendig und sprich es, wenn du Lust darauf hast. Fühle dann immer noch ein wenig nach. Und wenn dich mehr dazu interessiert, gibt es ja immer noch Google und viele buddhistische Gruppen, die dir mehr erklären. 😉

Der moderne Umgang mit Mantras

Wenn fremde Philosophien nicht dein Ding sind, kannst du auch ganz ohne „OM“ und Schwingungen die Macht eines Mantras nutzen. Du befindest dich dann ganz nahe der Grenze zur Affirmation – die ja das konkrete Ziel hat, etwas positiv zu deuten. Falls dir das ein wenig zu „positiv“ ist, kannst du so vorgehen:

  1. Suche nach Wörtern oder Sätzen, die dir gefallen, die in dir „schwingen“. Das mag bei dem einen „Freude“ sein, bei dem anderen „Hinter jeder Wolke ist der Himmel blau“. Etwas, das dir wichtig erscheint. Warum auch nicht ein kluges Zitat (Einstein ist dafür eine super Quelle. Ein Beispiel? „Fantasie ist wichtiger als Wissen, denn Wissen ist begrenzt.“) Schon das Suchen danach wird dich Achtsamkeit lehren und hilfreich sein.
  2. Hast du ein, DEIN, Mantra gefunden, schreib es auf, lerne es auswendig, verinnerliche es und schlafe drüber, ob es wirklich „deins“ ist.
  3. Nun lass dich von diesem Wort oder Satz eine Weile begleiten und murmle es vor dich hin, wenn es die Situation zulässt. Denke ab und an über den Sinn nach und vielleicht magst du es auch mal variieren.
  4. Hänge dich aber nicht zu sehr dran. Vielleicht erscheint dir das Mantra nach kurzer Zeit schon klein oder das Sprechen fühlt sich albern an. Dann war es vielleicht schon ausreichend hilfreich und du kannst dir das nächste suchen…

Einige klassische Mantras

Wie gesagt: Ich kann dir nur buddhistischen Mantras nennen. Es gibt aber im Hinduismus, im östlichen Christentum und in anderen Religionen ähnliche Traditionen. Selbst ein Gebet oder ein Bibelzitat könnte man als „Mantra“ bezeichnen.

Und wieso verwendet man die tibetische Form oder Sanskrit? Wäre es nicht besser, den Sinn in deutsch zu erfahren? Nun, auch unter Buddhisten gibt es Stimmen, die vorschlagen, eher mit den Übersetzungen zu arbeiten – weil wir sie dann verstehen. Wenn man allerdings davon ausgeht, dass auf der Schwingung an sich Segen liegt, dann ist die traditionelle Sprache natürlich sinnvoller. Und, ehrlich gesagt, finde ich, dass Tibetisch einfach besser klingt. 😉

OM (ॐ)

Das ist schwer zu übersetzen. Das OM steht am Anfang vieler anderer Mantras und ruft damit das Absolute herbei. Es ist damit so etwas wie ein Start-Mantra.

Om Mani Peme Hung (ॐ मणिपद्मे हूँ ) – Allumfassendes Mitgefühl

Das vermutlich bekannteste Mantra überhaupt (in Sanskrit übrigens „Om Mani Padme Hum“) und wird dem Buddha Avalokiteshvara bzw. Chenrezig zugeordnet. Dieser hat sich entschieden, nicht in ein Reines Land einzukehren, sondern bei uns Menschen zu bleiben, um uns zu helfen. Mit diesem Mantra, so sagt man, kann man sich mit allen Menschen verbunden fühlen und ihr Leid lindern.

Om Tare Tutare Ture Soha – Aktives Mitgefühl

Die Grüne Tara (sozusagen eine „Buddhine“) verkörpert das „aktive“ Mitgefühl aller Buddhas – gemeint ist damit der Schutz vor Stolz, Verblendung, Zorn, Neid, Geiz und Begierde. Sie vermehrt die vorhandene Weisheit und man sagt, sie hilft dabei, die oben genannten „Störgefühl“ in kluges Handeln umzuwandeln.

Om Benza Sato Hung – Reinigung

Dies ist die Kurzversion eines längeren 100-Silben-Mantras für den Buddha „Diamantgeist“. Es sorgt für Reinigung. Wobei dies nicht viel mit „Sauberkeit“ zu tun hat. Bei dieser Reinigung geht es um Karma. Es werden also schlechte Handlungen, die du irgendwann begangen hast, ausgeglichen. Dabei ist es gut möglich, dass dies kurzfristig auch zu unangenehmen Effekten führt. Wenn du also dieses Mantra rezitierst und dich andere Menschen daraufhin ärgern, könnte es mit dem Mantra zusammenhängen. Aber keine Sorge: Das geht vorbei.

Om Ah Hung – Reinigung

Wie schon beschrieben, ist auch dies ein Reinigungsmantra. Und zwar auf den drei Ebenen Körper (OM), Rede (AH) und HUNG (Geist). Diese drei Silben sind sehr grundlegend, deshalb ist es im Zweifel nach „OM“ immer eine gute Wahl für den Einstieg. 😉

Om Ah Hung Vajra Guru Padme Siddhi Hung – Mantra des Guru Rinpoche

Das ist sozusagen die längere Version von „Om Ah Hung“ und wird dem Guru Rinpoche zugesprochen, der den Buddhismus nach Tibet gebracht hat. Übersetzt könnte es heißen: „Möge uns durch Deinen Segen das Profane (Gesundheit, Wohlstand, Erfolg) und das Höchste (Erleuchtung, Befreiung) gewährt werden.“ Na, das ist doch was.

Tayatha Om Bekandze Bekandze Maha Bekandze Radza Samudgate Soha

Das ist das Mantra des Medizin-Buddha – ihm wird also heilende Wirkung nachgesagt. An diesem kannst du auch sehen, wie kompliziert das manchmal wird. Viel Spaß beim Auswendiglernen.

Ach übrigens: Sprich dein Mantra so aus, wie es hier geschrieben steht – das ist ziemlich nahe dran. Wenn du es genauer wissen willst, gibt es gesungene Mantras zum Beispiel von Deva Premal (z.B. „Tibetan Mantras for Turbulent Times“).

Und nun?

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Schlagwörter:

6 Gedanken zu „Die Macht der Sprache: Mantras für den täglichen Gebrauch“

    1. Hallo,
      Habe gerade Ihren Beitrag gelesen und finde ihn hoch interessant und leicht verständlich für jedermann. Bin gerade bei Diamantgeist und störe mich etwas an : “ lerne es erst auswendig “ ;o) Scherz
      Danke für die hilfreiche Information

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