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Auch so ein kreatives Geheimnis: Kritzeln/Scribbeln lernen

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Kritzeln lernen? Hier? Du dachtest, hier geht es ums Schreiben. Allerdings bin ich zu der Überzeugung gelangt, dass Scribbeln – in welcher Form auch immer – zum Denken dazugehört. Vor allem, seit ich das bewusst und regelmäßig einsetze. Mit großem Gewinn. Denn meine persönlichen Ergebnisse sind nicht schön, aber hilfreich.

Scribbeln ist schön. Und macht (eines Tages) keine Arbeit (mehr). Foto: Eric

Warum wollte ich das lernen?

In der Schule und der Universität hatte ich stundenlang einen Stift in der Hand und zeichnete merkwürdige Dinge an den Rand meiner Notizen. Ich habe wichtige Punkte eingekreist, habe psychedelische Muster gemalt und bin manchmal mehr meinem Stift als der Lehrkraft gefolgt. Daran erinnere ich mich.

Seitdem habe ich Stifte nur noch in die Hand genommen, um etwas aufzuschreiben. Oder in dem hoffnungslosen Versuch, jemandem einen Gedanken zu erklären, der nicht linear in Text, sondern besser zwei- oder dreidimensional als Bild verständlich ist. Dann war ich über meine begrenzten Scibble-Fähigkeiten immer ein wenig entsetzt.

Unterdessen gibt es großartige Künstler:innen, die mit Sketchnotes eine eigene Kunst- und Dialogform begründet haben. Das wirkt für mich völlig unerreichbar – doch so ist das manchmal mit guten Inspirationen.

Und, hey, seit ich mich nun intensiver damit beschäftige, wie und wo Denken und Kreativität entsteht, sehe ich diese Unfähigkeit als problematisch an. Es ist nicht so, dass ich das nicht kann, weil ich unkreativ bin. Ich kann es nicht, weil ich es nicht (mehr) tue. Also, los. Dann ergänze ich das halt in meinen Übungen zur Kreativität und lerne das wieder.

Blöde Frage: Was ist eigentlich ein Scribble?

Naja, ein Scribble ist eine schnelle, ungezwungene Zeichnung, die als Vorentwurf oder spontane Ideenskizze verwendet wird. Oder einfache, unperfekte Darstellungen, die dazu dienen, grundlegende Konzepte, Formen oder Layouts festzuhalten. Manchmal muss man malen, wenn man etwas erklären will.

Scribbles können also alles Mögliche sein – sind in der Regel nicht detailliert oder präzise, sondern nur ein kreativer Ausdruck oder erster Schritte in einem Designprozess. Solche Kritzeleien werden häufig von Künstlern, Designern und Architekten eingesetzt, um Ideen schnell zu visualisieren und zu kommunizieren, bevor sie in detailliertere Arbeiten umgesetzt werden.

Es gibt einige feinere Definitionen und angrenzende Begriffe. Vor allem zwei:

  • Mockups / Wireframes: Hier sind wir ganz in der digitalen Erklärwelt. Meist werden Mockups und Wireframes für die ersten Gestaltungsideen von Webseiten oder Smartphone-Apps verwendet. Ein Wireframe stellt dabei die allererste Idee dar und ist eigentlich nur eine Strichzeichnung ohne Farben, Bilder oder gar Text. Ein Mockup baut darauf und enthält weitere Entwicklungen mit grafischen Elementen.
  • Sketchnotes sehen größtenteils sensationell aus und sollen grafische Notizen aus Meetings sein, die aus Text, Bild und Strukturen bestehen. Der Begriff ist ein Kofferwort, das sich zusammensetzt aus Sketch (englisch sketch ‚Skizze‘) und Note (englisch note ‚Notiz‘ von lateinisch notitia ‚Kenntnis, Nachricht‘). Offen gesagt, glaube ich nicht, dass dies wirklich produktiv fürs Notieren verwendet wird. Aber was weiß ich schon …

Scribbles sind weit weniger als Wireframes oder Sketchnotes. Das sind einfach nur Kritzeleien, die entweder die kreativen Areale im Gehirn anstoßen. Oder die etwas erklären möchten, was mit Text nur unzureichend erklärt werden kann. Und eines sind Scribbles immer: unfertig. 🙂

Was du für das Scribbeln benötigst

Diese Frage stellt sich sehr überraschend, wenn du damit anfängst. Einen Stift wirst du ja auf dem Schreibtisch liegen haben. Ein Stück Papier vermutlich auch. Oder du hast ein Tablet mit einem Stift – warum auch nicht mit dem Finger darauf malen?

Und dann sitzt du da und machst einen Strich – in welche Richtung? Was willst du eigentlich „Scribblen“? Hier einige Ideen, womit du beginnen kannst:

  • Was liegt noch auf dem Schreibtisch? Vorhandene Objekte in einfache Strichzeichnungen zu übertragen, ist ein wunderbarer Start.
  • Hund, Katze, Maus: Hast du aus deiner Jugend noch Zeichnungen in deinem Gedanken-Archiv abgespeichert? Kannst du dich an Killroy erinnern? Der wurde zu meiner ersten Zeichnung.
  • Formen und Emoticons: Schnelle Erfolge wirst du sehen, wenn du die Vereinfachung der Emoticons nutze.
  • Zeichenprogramme mit Formenlehre: Wenn du nach „Sketchnotes“ googelst, wirst du sehr viel Lehrmaterial genau dafür finden.

Wichtig ist: Mach daraus keine Wissenschaft. Hauptsache, du malst oder zeichnest irgendwas. Fang an, du wirst schnell merken, was dir liegt und wo es hakt. Natürlich solltest du nicht jeder Schwierigkeit aus dem Weg gehen. Vermutlich wirst du krachend scheitern, deine Kaffee-Tasse auf dem Schreibtisch in die richtige Perspektive zu setzen. Aber dann versuche es noch ein paar mal – oder versuche etwas anderes. Einfache Strichmenschlein (ja, hier wird gegendert).

Es muss ja nicht gleich am Anfang schon kompliziert sein.

Drei unterhaltsame Scribble-Trainingsprogramme

Natürlich gibt es viele Wege, Scribbeln oder Zeichnen zu lernen. Hier zeige ich dir drei, die ich ausprobiert habe.

Beachte bei den Vorschlägen, dass es hauptsächlich darum geht, die Hand zu bewegen und Striche, Objekte und Zeichnungen aufs Papier bzw. ins Tablet zu bringen. Es lohnt es also, alle drei Trainingsprogramme auszuprobieren. Mit der Formenlehre konnte ich persönlich nicht so viel anfangen. Ich bin aber über mein selbst verordnetes „Jeden-Tag-ein-Bild“-Programm immer wieder in einen Flow gekommen, in dem ich vorhandene Fotos abgepaust habe. Und zwischendurch habe ich einfach nur Formen geübt.

1. Jeden Tag ein Bild, maximal

Es ist doch immer das Gleiche: Wenn du etwas lernen willst, musst du Zeit investieren. Und zwar nicht einen ganzen Tag am Stück, sondern besser zeitweise jeden Tag ein paar Minuten. Falls du starke Nerven hast, kannst du mal diesen Instagram-Account anschauen. Es gibt aber auch viele andere Accounts, die von einem gemalten Bild pro Tag profitieren. Während der Corona-Lockdowns hat das einigen Künstler:innen vermutlich den Job gerettet.

Ganz so ambitioniert musst du nicht sein. Ich weiß aber, dass ich mich mit solchen Jeden-Tag-Trainingsprogrammen (jeweils maximal eines pro Zeit) immer wieder weiterentwickelt habe. Und zwar, indem ich erstens jeden Tag Stift und Papier in die Hand genommen habe. Und zweitens aufgehört habe, wenn es anstrengend wurde. Also in diesem Fall: jeden Tag ein Bild, aber nicht mehr.

2. Bilder/Fotos abpausen

Ich war mir gar nicht sicher, ob es den Begriff „abpausen“ überhaupt noch gibt. Damit ist gemeint, dass ein dünnes Papier über ein Bild gelegt und abgezeichnet wird. Das habe ich als überraschend inspirierend empfunden. Denn dabei tauchst du auch tief in das zu pausende Bild ein.

Hier kann das Tablet oder auch das Handy eine gute Hilfe sein. Erstens gibt es sogenannte Leuchttisch-Apps. Diese lassen das Handy-Display sanft leuchten. Wenn du nun also ein Bild und ein dünnes Papier drauflegst, kannst du besser abpausen. Du kannst aber auch ein Foto auf dem Smartphone auswählen und dein Pauspapier direkt drauflegen.

Oder du suchst dir für dein Tablet ein Zeichenprogramm mit Ebenen. Dann schnappst du dir ein Foto aus deiner Bibliothek, machst es durchscheinend (vielleicht auf 20 bis 30 Prozent) und legst eine weitere Ebene darüber, auf der du dann mit deinem Pen oder gar mit den Fingern malen kannst.

3. Formenlehre

Für viele funktioniert ein Weg, der ganz am Anfang startet: Male ein Dreieck, dann ein Viereck und kombiniere diese zu einem Haus. Und aus welchen Formen besteht eigentlich eine Katze? Oder ein Auto? Auf diese Weise lernst du von Grund auf die innere Logik des Zeichnens und Malens.

Ich möchte gar nicht aufzählen, wo und wie du das lernen kannst. Vielleicht wäre es am besten, du gehst in eine beliebige Buchhandlung und schaust die dort verfügbaren Zeichenbücher. Und was dich berührt, nimmst du mit. Du kannst aber auch einen Kurs, ein YouTube-Video oder eine der vielen anderen digitalen Lehrmethoden suchen. Nur eins: Solange du suchst, scribbelst du nicht. Anstatt lange nach einem Tool oder Tutor:in zu suchen – fang an.

Verschiedene Stile – für weitere Ideen

Na gut, es geht offenbar zunächst darum, andere zu kopieren. Oder deren Stile neu zu mixen. Ausprobieren kannst du dich in diesen Kategorien:

  • Bleistiftzeichnungen: Versuche doch, diese abgefahrenen Bleistiftzeichnungen nachzuzeichnen. Oder zumindest auch solche irre Bilder zu gestalten.
  • Malen mit Marker: Falls auf deinem Schreibtisch ein dicker Marker liegt, wird dir Edding mit einigen Inspirationen helfen.
  • Muster mit dem Kugelschreiber: Ich habe eine ganze Weile versucht, mit dem Kugelschreiber zu malen. Aber das funktioniert (für mich) nicht. Aber wenn du in einem Meeting sitzt, lass deinen Kugelschreiber oder Softpen gerne Muster malen. Auch das, so wird gesagt, regt die kreativen Zentren in deinem Gehirn
  • Icons und Symbole: Falls dich die Sketchnotes begeistern, die schon zu einer eigenen Kunstform geworden sind, versuche zunächst Icons nachzumalen. Hier eine hübsche Datenbank – am Beispiel „Haus“.

Und die KI, wie kann dir die helfen? Ich finde, gar nicht. Ich habe alle mir zur Verfügung stehenden Bild-Datenbanken um Kritzeleien oder Skizzen gebeten. Aber die Ergebnisse waren alle viel zu gut. Hier ein Beispiel, was Ideogramm unter „zufällig gekritzelte Skizze eines Hundes“ versteht.

Das sollen Kritzeleien sein? Ich denke, beim Scribbeln sind die Bildgeneratoren vorerst raus.

Und nun? Eine wichtige Warnung!

Du ahnst es schon: Mach! Fang mit dem Material an, das auf deinem Tisch liegt und scribble so oft es geht. Und natürlich kann ich dir voraussagen, wie es dir damit gehen wird: schlecht. Das, was du malst, kritzelst oder zeichnest, wird richtig schlecht sein.

Das ist meine Warnung: Dein Perfektionist in dir wird sich gegen all dies wehren. Er wird dich auf dein offensichtliches Unvermögen hinweisen und dich auslachen. Sei darauf vorbereitet.

Du kannst dir sicher sein, dass selbst der willensstärkste Perfektionist eines Tages die Lust verliert. Und vielleicht sitzt ihr in einigen Tagen oder Wochen zusammen am Schreibtisch und kritzelt kindische Icons vor euch hin.

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